Eine zweite
Gitarre zur Hand zu haben
hat Vorteile. Sei es um einen anderen Sound zur Verfügung zu
haben
oder um nach Saitenriss sofort weitermachen zu können.
Da meine alte
Zweitgitarre, ein
halbakustischer Eigenbau mit etwas zu optimistisch dimensionierter
Decke, nach 10 Jahren dem Saitenzug nichts mehr entgegenzusetzen
hatte, machte ich mich bei einem bekannten Onlineauktionshaus auf die
Suche nach einer kostengünstigen Alternative.
Da mein
Hauptinstrument ein Eigenbau
der LP-Gattung ist, sollte die zweitbesetzung etwas Strat-artiges
sein.
Neben den
absurd überteuerten
US-Originalen und verbastelten Japanklampfen fanden sich
überraschenderweise auch neue Intrumente, meist unter dem
Namen
„Vision“ für unglaubliche € 39,90
plus Versand! Da es
verschiedene Versionen gab, fiel die Wahl auf ein der 63er Strat
nachempfundenes Modell mit dicken Palisandergriffbrett.
Was eine Woche
später per Post kam,
sah tatsächlich nach Stratocaster aus: Sehr ordentliche
Holzkonstruktion, 3 Singelcoils, 5-Wegschalter und Potis wie`s
muß,
Vibratohebel etc..
Der Hals ist
relativ dick und aus einem
Holz, das ich zumindest nicht von Ahorn unterscheiden kann. Das
Griffbrett ist aus irgendwas palisanderartigem (kein
oberflächlich
gebeiztes helles Holz, relativ hart) und 6 mm dick. Der Sattel (aus
schwarzen selbstschmierenden Material) sitzt im schräg
auslaufenden
Griffbrettende. Soweit tatsächlich eine genaue 63er Kopie.
Dies
freut den R. Gallagher-Fan.
Das ganze sitzt
spielfrei in einem
Korpus der üblichen Abmessungen uns Shapings.
Anders als das
aus drei Blöcken
zusammengesetzte Original besteht der Korpus aus einer Vielzahl
zusammengeleimter Vierkanntstäbe mit oben und unten
aufgeleimtem
Furnier. Beim Holz könnte es sich in der Tat um Erle handeln,
kann
ich jedoch nicht mit Sicherheit sagen. Die optische Qualität
(in
Sachen Astaugen etc.) ist erwartungsgemäß eher
mäßig. Die
Lackierung ist gut, die Halsrückseite ist mit einem
dünnen
Mattlackfinish versehen. Die Gurtknöpfe sind mit Filzscheiben
unterlegt, die Konterplatte der Halsverschraubung ruht auf einer
Kunststoffplatte, die Potiknöpfe entsprechen ganz dem Original
(billigster Plastikpofel).
Ein
Vibratohebel ist auch dran. Dieser
scheint auch den alten Originalen zu entsprechen: Solange man es
nicht übertreibt bleibt die Gitarre einigermaßen
stimmstabil. Mehr
kann ich zur Funktion des Jammerhakens allerdings nicht sagen, da ich
mit diesen Dingern grundsätzlich auf Kriegsfuß stehe.
Das es sich um
ein ausgesprochenes
Billiginstrument handelt, merkt man allerdings den Mechaniken an.
Diese haben reichliches Spiel. Zwar ist es dennoch möglich die
Gitarre zu stimmen, es ist aber etwas aufwändiger: Wenn man
beim
Aufwärtsstimmen etwas zu weit gedreht hat, ist es nicht
möglich,
einfach etwas zurückzudrehen. Vielmehr gilt es, ein ganzes
Stück
herunter zu stimmen, um sich wieder von unten der richtigen Stimmung
zu nähern. Das funktioniert zwar und die Gitarre ist dann auch
durchaus stimmstabil aber es nervt!
Glücklicherweise
hatte ich noch einen
Satz Grover-Mechaniken im „Kluson“-Stil (also in
der Optik der
alten Fenderoriginale) rumliegen. Der Austausch geht schnell und
unkompliziert. Wenn man entsprechende Mechaniken kaufen muß,
ist man
mit ca. € 25,- dabei.
Weiterhin
negativ: Die
Werkseinstellung. Die Oktavreinheit bedurfte zwar nur minimaler
Korrekturen aber unter den Saiten könnte ein Goldhamster Limbo
tanzen. Ein Grund ist die mangelhafte Halseinstellung. Diese
lässt
sich jedoch schnell und angenehm korrigieren, da die Gitarre
über
einen sog. „double-action“-Spannstab
verfügt. D.h. Der Spannstab
lässt sich nicht nur gegen den Saitenzug mehr oder weniger
stark
spannen, sondern kann in beide Richtungen gespannt werden. Gute
Sache, wenn es mal gilt einen verzogenen Hals wieder hinzukriegen.
Ansonsten wird
die Saitenlage am Steg über Madenschrauben mit dem 1mm
Inbusschlüssel, nach dem man immer
so lange suchen muß, eingestellt. Dummerweise quittierte die
Gitarre
schon eine leichte Absenkung der Saitenlage mit deutlichem Schnarren!
Hilft nix: Die Bünde mussten übergeschliffen werden.
Dies schmerzt
umso mehr, als die Bünde sehr schön verrundet und
poliert waren.
Nach mäßiger Schleifarbeit im Korpusseitigen Bereich
des Halses war
das Problem denn allerdings auch schon gelöst. Die Saitenlage
ließ
sich vernünftig einstellen, nichts schnarrte mehr.
An der
Bespielbarkeit gab es nunmehr
nichts mehr auszusetzen. Das dicke Halsprofil war für mich
zwar sehr
gewöhnungsbedürftig aber das ist erstens authentisch
und zweitens
Geschmackssache.
Am
Verstärker zunächst kräftig
aufgedreht: Nichts pfeift! Wo früher Mikrophonie der Pickups
ein
notorisches Problem bei Billiggitarren war, bleibt die Chinastrat
ruhig. Ein späterer Blick unters Pickguard ergab,
daß die Spulen
nach alter Sitte mit Wachs vergossen sind. Sehr schön! Die
Brummeinstreuungen halten sich für eine Singlecoilgitarre sehr
in
Grenzen, obwohl keine großartigen
Abschirmungsmaßnahmen ergriffen
wurden. Die Potis sind gut gewählt und machen einen
hochwertigen
Eindruck. Die Pickups klingen so, wie mans von einer Strat erwartet,
auch der vielgescholltene mittlere kling recht ordentlich. Den
Zwischenpositionen kann ich nicht viel abgewinnen aber das geht mir
eigentlich immer so.
Zu
Vergleichszwecken hat mir Jenner
seine 81er Originalstrat zur Verfügung gestellt und siehe da:
Die
Chinastrat ist sehr nah dran! Bei genauerer Betrachtung lassen sich
zwei wesentliche Unterschiede ausmachen. Der erste erstaunt
zunächst:
Die Chinastrat hat deutlich mehr Sustain. Bei näherer
Betrachtung
ist das aber wiederum nicht ganz so verblüffend, da die 81er
Fender
einen zeittypisch deutlich dünneren Hals hat. Dies bleibt
offenbar
nicht ohne Folgen für den Sound.
Der zweite
Unterschied betrifft die
Pickups: Wo die Fender bei mittleren Gaineinstellungen und
heruntergedrehter Tonblende auf dem HalsPU sehr schön zu
singen
anfängt, bleibt bei der Vision stets ein etwas rauher,
rotziger
Unterton. Nicht sehr dominant aber doch vernehmbar.
Zeit
für ein erstes Fazit:
So, wie die
Vision aus dem Karton
kommt, ist mit ihr noch nicht allzu viel anzufangen.
Nach Austausch
der Mechaniken,
Überschleifen der Bünde (kein Hexenwerk!) und den
üblichen
Einstellungsarbeiten erhält man für ca. € 80
(Gitarre+Versand+Mechaniken+Saiten) ein absolut
Bühnentaugliches
Instrument, das sich vor dem gnadenlos überteuerten Original
nicht
zu verstecken braucht!
Wem das nicht
reicht, kann natürlich
noch zwischen 80 ( Semour Duncan, DiMarsio, EMG, etc.) bis 120
€
(Fender) für Pickups ausgeben, um dann für 160 bis
200€ ein
Instrument zu erhalten, welches nach rationalen
Maßstäben dem
Original nun wirklich nicht mehr nachsteht.
Zu den
Unterschieden der Pickups später
mehr.
Modifikationen
Wie
oben schon
erwähnt, waren der Austausch der Mechaniken und das
Überschleifen
der Bünde zwingend erforderlich, um die Gitarre praxistauglich
und
spielbar zu machen. Wer es ganz bugdetfreundlich mag, kann es auch
bei 1,20 für einen Bogen 240er Schleifpapier bewenden lassen,
die
Bünde schleifen, sich an die nervigen Mechaniken
gewöhnen und für
etwas mehr als 45,- glücklich werden.
Ich
habe darüber
hinaus zunächst einige Änderungen vorgenommen, die
meinem
persönlichen Geschmack entsprangen.
Das
Halsprofil
wurde ohne übermäßigen Materialabtrag von C
zu D verändert (bei
Gelegenheit werde ich das nach einmal etwas weiter treiben).
Der
deckende
Lack wurde, ebenso wie die obere Furnierschicht abgeschliffen, das
ganze dunkel gebeizt, lackiert, geschliffen und poliert. Zu Rory Gs
Strat fehlt also nur noch der Lackschaden, aber das wäre doch
etwas
übertrieben...
Die
nächste
Änderung betraf die Pickups. Deren Polepieces bestehen aus
Stahl und
sind, ähnlich wie die meisten Humbucker, mit einem
Barrenmagneten
unterlegt.
Passende
runde
Stabmagneten sind für 30 Cent pro Stück bei Conrad
erhältlich,
also wurden die PUs umgebaut.
Am
Sound änderte
sich allerdings nicht viel. Vielleicht ist die Dynamik etwas besser
geworden, vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein. Der oben
beschriebene etwas rauhe Grundton blieb jedenfalls erhalten. Ich
vermute, daß die Spulen im Vergleich zum Fender-PU einfach
ein paar
Wicklungen mehr haben.
Gleichzeitig
verstärkte sich durch die Modifikation der Pickups die Neigung
zur
„Stratitis“, also der Beeinflussung der
Saitenschwingung durch
das Magnetfeld der Abnehmer. Dementsprechend müssen die
Pickups nun
relativ weit heruntergeschraubt werden.
Das
nächste
Problem ergab sich nicht aus der Gitarre selbst, sondern aus ihrem
Satus als Zweitinstrument. Meine Hauptgitarre ist ein Eigenbau im
LesPaul-Stil mit relativ ausgangsstarken Seymour Duncan- Humbuckern.
Die Strat hat im Vergleich natürlich einen deutlich
niedrigeren
Ausgangspegel. Dummerweise reicht es nicht, beim Gitarrenwechsel den
Gainregler am Vorverstärker weiter aufzudrechen. Schon die
vorgeschalteten Bodeneffekte zeigten ein recht unerfreuliches
Verhalten. Beispielsweise sorgt in meinem Setup ein Distortionpedal
der mir sonst unbekannten Firma „Proel“
für einen gemäßigten
Crunshsound ohne Lautstärkeänderung. An der Strat
hingegen, sorgt
das Pedal bei gleicher Einstellung für einen deutlichen
Laustärkesprung ohne zu verzerren. Andere Pedale verhalten
sich
ähnlich.
Da
es wenig
praxistauglich wäre, bei jedem Wechsel der Gitarre an
sämtlichen
Geräten herumzuschrauben, musste der Ausgangspegel der
Chinastrat
also irgendwie an das Niveau der Humbucker angepasst werde. Der
einfachste Weg wäre natürlich, einen Satz billiger
Humbucker in die
Strat einzubauen. Da ich am Sound aber nichts ändern wollte,
musste
eine Aktivelektronik her.
Als
Vibratofeind
hatte ich ohnehin den Hebel demontiert, den Block mit Holzkeilen
festgesetzt und die Federn entfernt, so daß in der
Federkammer Platz
für Bateriefach und Elektronik war.
Ein
einfacher
NF-Vorverstärkerbaustein für 4 Euro wurde zur
Anpassung von Ein-
und Ausgangspegel mit je einem vor- und einem nachgeschalteten 50
Kohm-Trimmpoti versehen.
Ein
versenkter
Schiebeschalter als Batterieschalter kam neben das Batteriefach in
die Abdeckplatte der Federkammer. Ins Pickguard neben den
5-Wegschalter kam ein Miniumschalter, der es erlaubt zwischen Aktiv-
und Passivsound zu wechseln – wichtig bei unerwartet leerer
Batterie.
Funktioniert,
ist klangneutral und kostet keine 10 Euro.
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